Experimentelle Archäologie

Es ist kaum zu glauben, aber da sehen wir ein neolithisches Dorf, in dem die Bewohner recht gut gekleidet und wohlgenährt ihre Arbeit verrichten, fröhlich und ohne auch nur den Hauch von Sorgenfalten, ihre Kinder zu Bett bringen und am Abend romantisch am Feuer sitzen. Es ist eine Fernsehsendung, in der durch experimentelle Archäologie das Leben der Steinzeitmenschen nachvollzogen werden soll, wie unrealistisch, denn es stehen jederzeit Ärzte zur Verfügung und die angeblich selbst hergestellte Nahrung kann im Bedarfsfall durch Fast Food bereichert werden und auch ansonsten kann man zu Hilfsmitteln wie Nägel, Draht oder gar Bohrmaschine greifen. Trotz alledem erfreuen sich solche Dokumentationen großer Beliebtheit und haben einen bildenden Charakter, was eines der Anliegen der experimentellen Archäologie ist.

Doch die Hauptaufgabe liegt in der Beweisführung der bei archäologischen Grabungen gewonnenen Erkenntnisse, Beobachtungen, aber auch der Interpretation der Funde und Befunde. Die experimentelle Archäologie versucht nun, diese Interpretationen durch Erfahrungen zu vertiefen. Das gelingt am besten, wenn historische Gegenstände nachgebildet werden und das originalgetreu und mit den zur damaligen Zeit üblichen Techniken. Es reicht also nicht, dass beispielsweise ein Archäologe die Erkenntnis gewonnen hat, dass an eben dieser begrabenen Stelle einst Bronze hergestellt wurde, ohne sagen zu können, wie die damaligen Menschen das bewerkstelligt haben. Die experimentelle Archäologie ist nun gefordert, diese Frage zu beantworten und das nicht nur theoretisch, sondern die Aussagen mit einem entsprechenden funktionstüchtigen Modell zu untermauern.

Die Arbeit der Experimentalarchäologen ist breit gefächert und reicht von der Herstellung steinerner Werkzeuge, der Wiederherstellung von antiken Tempeln, Rekonstruktion von Bodenheizungen auf Burgen und Schlössern bis hin zur Beweisführung der Effizienz mittelalterlicher Waffen. Das Gelingen solcher Experimente ist weitestgehend von der Erfahrung des Archäologen abhängig, denn neben der Rekonstruktion von Artefakten muss versucht werden, die Arbeitstechniken der Vergangenheit zu erfahren und damit auch der technische Stand unserer Vorfahren. Um dieses zu erreichen, sollte bei der Rekonstruktion darauf geachtet werden, dass nicht nur Originalmaterial sondern auch die damals vorhandenen Werkzeuge und Handwerkstechniken verwandt werden.

Archäologische Rekonstruktionen dienen oft als Ausstellungsstücke in Museen und es kann mit deren Hilfe ein breites Publikum für die Archäologie interessiert, Vorurteile abgebaut und die Erkenntnis gewonnen werden, dass es ohne die Erfindung des Faustkeils keine Computer gäbe …